Bohrkanalpositionen der Kreuzbandplastik

arthrex bild bohrlockbeitrag InPixio scaled

Die anatomische Bohrkanalanlage ist der wohl bedeutendste Faktor für ein zufriedenstellendes Ergebnis nach einem Ersatz des Vorderen Kreuzbandes.

Das Ziel der Kreuzbandoperation ist primär die Wiederherstellung der Stabilität des Kniegelenkes bei uneingeschränkter Beweglichkeit des operierten Kniegelenkes in Referenz zum gesunden Kniegelenk. Die anatomische Bohrtunnelplatzierung des Ober-und Unterschenkelbohrkanals ist unabdingbare Voraussetzung dafür. Die anatomische Positionierung des VKB-Ersatzes sollte zu einem besseren Langzeit-Ergebnis führen, mit dem Ziel eines reduzierten Risikos für die Entwicklung eines Gelenkverschleisses (Arthrose).

Anatomie & Funktion Vorderes Kreuzband

Die Bedeutung des anteromedialen Bündels (AM- Bündel) und posterolateralen Bündels (PL- Bündel) bei der Vorderen Kreuzbandplastik

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Was ist die anatomische Bohrkanalposition?

Einer der kritischen Schritte bei der Vorderen Kreuzbandplastik ist die anatomische Platzierung des Oberschenkelbohrkanales – der sogenannte Footprint des Vorderen Kreuzbandes am Oberschenkel. Wird dieser bei der Operation verfehlt, so kann dies der Hauptgrund für eine Revisionsoperation der Plastik sein.

Das Ursprungsgebiet oder auch Footprint wird am Oberschenkel als ovale oder halbmondähnliche Form beschrieben mit einem Längsdurchmesser von ca.18mm und einem Querdurchmesser von ca.11 mm , die in zwei Bündel unterteilt werden: das anteromediale (AM) Bündel und das posterolaterale (PL) Bündel. Beide Bündel erfüllen unterschiedliche Funktionen: Während Kniebeugung ist das AM Bündel gespannt, bei kniegelenksnaher Streckung und Rotation eher das posterolaterale Bündel.

Für den Operateur gibt es mehrere Anhaltspunkte und Methoden zur korrekten Positionierung des Oberschenkeltunnels:

Die „Resident’s Ridge„ definiert die obere Grenze des oberschenkelseitigen VKB Ansatzes. Die „lateral Bifurcate Ridge„ unterteilt die AM- und PL-Bündelfasern des Kreuzbandes. Die Querschnittsfläche der PL- und AM-Bündel ist jedoch von Patient zu Patient variabel, so dass die Lage des Lateral Bifurcate Ridge, wenn vorhanden, nicht unbedingt das wahre Zentrum der VKB-Oberschenkelansatzstelle darstellt. Aber auch die Positionierung des Tunnels bezogen auf die Uhrzeit wird herangezogen, so z.b. für die rechte Seite die 10 Uhr Position , für die linke Seite die 14 Uhr Position ( bei Einzellbündeltechnik der VKB Plastik), die genaueste anatomische Landmarke für die arthroskopische VKB -Rekonstruktion ist jedoch der native Stumpf- oder auch noch vorhandene Bandanteile.

Arthroskopische Orientierungspunkte am Oberschenkel für anatomische Tunnelbohrungen bei der VKB Plastik

residents ridge InPixio1 ferig

  • Resident’s Ridge: arthroskopischer Orientierungspunkt für anatomische Tunnelbohrungen bei der VKB Plastik
  • Lateral bifurcat Ridge: Trennung AM Bündel (anteromediales Bündel) und PL Bündel (posterolaterales Bündel)

Tunnelpositionen nach Vorderer Kreuzbandplastik

Da das Vordere Kreuzband einen grossen Einfluss auf die Kniegelenkskinematik hat, führen inkorrekte Tunnelbohrungen zu Funktionseinschränkungen insbesondere der Beweglichkeit und Stabilität. Wir haben die möglichen oberschenkelseitigen Tunnelpositionen zum besseren Verständnis aufgezeigt:

Anatomische Tunnelposition

anatomisch blau
Als anatomisch wird eine Tunnelposition bezeichnet, wenn diese exakt im Ursprungsgebiet des vorderen Kreuzbandes liegt. Diese Bohrlochposition sollte bei jeder Operation der Vorderen Kreuzbandplastik angestrebt und umgesetzt werden

Semianatomische Tunnelposition

semian blau
Am ungünstigsten sind semianatomische Tunnelpositionen (partiell anatomische Tunnelpositionen). Das Bohrloch liegt oft tendenziell sehr hoch, im Ursprungsgebiet des AM – Bündels (anteromediales Bündel) und teilweise auch zu weit vorne, tangiert jedoch das Ursprungsgebiet des Vorderen Kreuzbandes in unterschiedlicher Ausprägung. Hier besteht oft keine Möglichkeit in einer OP Sitzung die Replastik des Vorderen Kreuzbandes durchzuführen. Die Auffüllung des Bohrkanales mit einem autologen Knochentransplantat ist oft unumgänglich.

Extraanatomische Tunnelposition

extrana blau neu
Extraanatomische (nicht anatomische) Tunnelposition bezeichnet die komplette Fehlanlage des Bohrkanales ausserhalb des Ursprungsgebietes des vorderen Kreuzbandes. Zeigt sich sowohl in den präoperativen Röntgen-und /oder CT Bildern als auch in der arthroskopischen Darstellung, diese Tunnelposition, so ist es möglich, die Replastik in gleicher OP Sitzung mit Neuanlage der Bohrkanäle an anatomischer Bohrtunnelposition durchzuführen.

Die Wiederherstellung der Kreuzbandanatomie hat bei der Vorderen Kreuzbandplastik höchste Priorität!

Nicht anatomische Oberschenkeltunnel nach Vorderer Kreuzbandplastik – Auswirkung auf Beweglichkeit und Stabilität

Oberschenkelbohrkanal zu weit vorne

tunnel zu weit vprne un dtunnelerweiterung roe

Der meistgenannte technische Fehler stellt nach unseren Dokumentationen ein zu weit nach vorne platzierter oberschenkelseitiger Bohrkanal dar:

Damit kommt es zu einer resultierenden relativen Verkürzung des Transplantates mit Spannungserhöhung der Plastik während der Beugung. Infolge der Verkürzung des Transplantates wirken erhöhte Kräfte auf die Plastik ein, die sich zum einen anfänglich nach der Operation in der klinischen Untersuchung als Bewegungseinschränkung in der Kniegelenksbeugung trotz physiotherapeutischer Behandlung im Vergleich zum gesunden Kniegelenk nicht beeinflussen lassen. Im weiteren Verlauf kommt es meist zu einem „Ausleiern“ (Elongation) der Plastik, sie verliert ihre Stabilität und damit ihre Funktion. Der an korrekter anatomischer Position gebohrte Unterschenkeltunnel weist jedoch ein erhebliche Tunnelerweiterung (Tunnelwidening) auf :

→ Einschränkung der Beugungsfähigkeit (Bewegungseinschränkung mit Transplantatversagen – Vordere Kreuzbandinsuffizienz)

seitliches Röntgenbild nach VKB Plastik mit Bioschraubenbefestigung

Oberschenkelbohrkanal zu vertikal

high noon

Aber auch ein zu weit nach hinten oder zu vertikal platzierter oberschenkelseitiger Bohrkanal kann zu postoperativen Problemen führen. Die Folgen sind oft Defizite in der Streckung und bei zu vertikaler Anlage des Bohrkanales eine vermehrte Drehinstabilität (Rotationsinstabilität), die sich klinisch oft in einem positiven Pivot-Shift Test nachweisen lässt.

→ Einschränkung der Streckfähigkeit und vermehrte Drehinstabilität (Rotationsinstabilität)

Röntgenbild nach VKB Plastik mit Buttonbefestigung Oberschenkel hoch femoral („high noon „)

Unterschenkelbohrkanal zu weit vorne

unterschenkbohrkanal mit

Aber auch die korrekte Positionierung des unterschenkelseitigen Bohrkanals ist für das Ergebnis einer VKB Plastik entscheidend:

Ein zu weit nach vorne gelegener unterschenkelseitiger Bohrkanal kann mit zunehmender Streckung des Kniegelenkes zu einem Einklemmen des Transplantats am Dach der Fossa intercondylaris, dem sog. NotchImpingement, führen. Ein Notch-Impingement kann neben einem Streckdefizit und einer Transplantatelongation auch Abschürfungen am Transplantat verursachen und somit zur Schwächung das Transplantats führen. Auch der Oberschenkelbohrkanal zeigt sich ausserhalb des Ursprungssgebietes des Vorderen Kreuzbandes.

→ Einschränkung der Streckfähigkeit und Transplantatversagen (Vordere Kreuzbandinsuffizienz)

seitliches Röntgenbild nach VKB Plastik mit Bioschraubenbefestigung

 

→ Unser Vorgehen bei Revisionsoperationen nach Vorderer Kreuzbandplastik

Autor: Dr. Volker Fass