Die 7 häufigsten Ursachen für das Versagen der Kreuzbandplastik

kreuzbandplastik gestern und heute

Die Ursachen für ein unbefriedigendes Ergebnis nach Kreuzbandplastik können vielschichtig und multifaktoriell sein, wir haben Ihnen hier einmal die 7 häufigsten Ursachen für das Versagen der Kreuzbandplastik zusammengefasst.

1. Erneutes Trauma

Ein traumatisch bedingtes Versagen einer VKB-Rekonstruktion kann in ein frühes Versagen – noch bevor die Einheilung des Transplantats sowie die postoperative Rehabilitation abgeschlossen ist, und in ein spätes Versagen – nach der Wiederaufnahme von alltäglichen und sportlichen Aktivitäten, unterteilt werden. Ursächlich kommen meist eine zu agressive, belastende Rehabilitation, eine zu frühe Wiederaufnahme von sportlichen Aktivitäten und eine nicht ausreichende neuromuskuläre Kontrolle in Frage, insbesondere noch vor kompletter Transplantateinheilung. Ein spätes Versagen der Bandplastik kann auch bei einem perfekten Operationsergebnis durch ein adäquates Trauma jederzeit auftreten. Für ein sportlich aktives Patientenkollektiv wird eine Rerupturrate von 5-10% angenommen.

2. Begleitinstabilitäten

Rupturen des VKB treten häufig in Kombination mit zusätzlichen Verletzungen anderer Strukturen des Kniegelenks auf (Innenband, ALL Komplex, etc). Da das Innenband z.b. eine sehr gute Heilungstendenz hat, heilen Innenbandverletzungen in Verbindung mit vorderen Kreuzbandrupturen meist komplikationslos aus. Aber gerade Innenbandverletzungen mit unterschenkelseitigem Abriss (Stener-like-lesion) und oberschenkelseitige Grad II und III Verletzungen sollten einer operativen Versorgung zugeführt werden, eine konservative Ausheilung ist bei diesen Verletzungen oft nicht ausreichend. Häufig werden jedoch Verletzungen des Vorderen Kreuzbandes mit dem ALL Komplex (anterolaterales Ligament) übersehen. Diese kombinierten Knieinstabilitäten können ein Grund für das Versagen nach Kreuzbandrekonstruktion sein.

3. Biologisches Versagen

Bei Patienten ohne Hinweise auf operationstechnische Fehler oder ein erneutes Trauma kann ein „biologisches Versagen“ der Grund für eine fehlgeschlagene VKB-Rekonstruktion sein. Unter dem Begriff „Biologisches Versagen“ verstehen wir z.b. transplantateigene Ursachen, wie unzureichende Einheilung oder ungenügender Umbauprozess des Sehnentransplantates. Verschiedene biologische und biomechanische Faktoren im Verlauf dieses Umbauprozesses und der Einheilphase können dazu führen, dass kein funktionsfähiges neues VKB entsteht. Gründe für eine verzögerte Einheilphase ist z.b. eine gestörte Revaskularisierung mit verminderter Zelleinwanderung in das Transplantat, die damit einhergende Minderversorgung mit Wachstumsfaktoren verzögert oder verhindert den Umbau- und Einheilprozess des Transplantats und erhöht somit die Anfälligkeit für ein Transplantatversagen.

4. Rehabilitationsfehler

Die vordere Kreuzbandrekonstruktion (VKB Plastik) ist eine etablierte Behandlung nach einer vorderen Kreuzbandverletzung. Neben seiner mechanischen Funktion bei der Aufrechterhaltung der Kniestabilität enthält das Vordere Kreuzband sog. Mechanorezeptoren und beeinflusst daher direkt die neuromuskuläre Kontrolle des Kniegelenkes. Die Veränderungen in der motorischen Kontrollebene können daher mit Verlust der Koordination, der posturalen Kontrolle (Rumpfstabilität), der Muskelkraft und Bewegungsmustern einhergehen. Deshalb sollte das Trainingskonzept neben zeitlichen Richtlinien auch die kriteriengeleitete Rehabilitation miterfassen. Dadurch gestaltet sich die vordere Kreuzband-Reha individueller als konventionelle Physiotherapie-Programme. Insbesondere bei jugendlichen Sportlern, die oft zu früh in die sportartspezifische Belastung wieder eintreten, ist dieser Ansatz entscheidend, eine erneute Ruptur der Plastik zu vermeiden.

„Eine VKB-Verletzung kann daher als neurophysiologische Dysfunktion und nicht nur als einfache Bandverletzung angesehen werden“

5. Tunnelwidening

Als „Tunnelwidening“ bezeichnet man in der orthopädischen Chirurgie ein Phänomen, das nach Rekonstruktion eines gerissenen Kreuzbandes (Kreuzbandriss) zu einer Instabilität des Kniegelenkes führen kann. „Tunnelwidening“ bewirkt eine Aufweitung des Bohrkanals, in dem sich das Transplantat der Kreuzbandplastik befindet. Bohrkanalerweiterungen können vielfältige mechanische aber auch biologische Ursachen haben. Eine klare Trennung ist schwierig, da mechanische Reize auch immer zu biologischen Veränderungen führen und umgekehrt. Relativbewegungen zwischen dem Transplantat und dem Bohrkanal, in dem sich das Transplantat befindet, können zur Aufweitung des Bohrkanals führen, so ist z.b. die Verwendung einer bioabsorbierbaren Schraube mit einer größeren Erweiterung des Unterschenkeltunnels verbunden als die Op -Technik (All-Inside) mit Buttonfixation.

6. Beinachsenfehler/ Slope Wert

Bei der Revisionsoperation der fehlgeschlagenen Vorderen Kreuzbandplastik hat die Beinachsenbestimmung mit Auswertung der Sagittalneigung des Unterschenkels (Slope) erhebliche klinische Relevanz für die Stabilität des Kniegelenkes. Bei klinischen Verdacht auf eine Fehlstellung der Beinachse („O-Bein- X-Bein“) ist die röntgenologische Ganzbeinstandaufnahme mit Auswertung des Slope-Wertes vor Revision mit Kreuzbandersatz auch in unserem Diagnostikkonzept essentiell.

„Ein erhöhter Slope (› 12mm ) des Unterschenkels kann Ursache für eine Rezidivinstabilität sein“

7. Bohrkanallokalisation

Die anatomische Bohrkanalanlage ist der wohl bedeutendste Faktor für ein zufriedenstellendes Ergebnis nach einem Ersatz des Vorderen Kreuzbandes. Das Ziel der Bohrkanalpositionierung ist primär die Wiederherstellung der Stabilität des Kniegelenkes bei uneingeschränkter Beweglichkeit des operierten Kniegelenkes in der Referenz zum gesunden Kniegelenk. Anhand dreier Beispiele werden die häufigsten nicht anatomischen Bohrkanalplatzierungen und deren Auswirkung auf Beweglichkeit und Stabilität nach Kreuzbandoperation aufgezeigt:

Weitere Infos: Bohrkanalpositionen der Kreuzbandplastik

Autor: Dr. Volker Fass