Anatomie & Funktion
Jeder Mensch hat je Kniegelenk zwei Kreuzbänder – ein vorderes und ein hinteres Kreuzband. Der Name ist von der Struktur der Bänder abgeleitet, die ineinander kreuzförmig verlaufen und in etwa drei bis fünf Zentimeter lang sind. Das Kreuzband gehört zu den wichtigsten Strukturen im Kniegelenk und ist für die Stabilität des Kniegelenks, sowie auch für den harmonischen Bewegungsablauf notwendig. In über 90% reisst das vordere Kreuzband.
Ein Riss des vorderen Kreuzbandes (ACL = anterior cruciate ligament) entsteht oft im Rahmen einer „non-contact-Verletzung“ (ohne äußere Einwirkungen) – zum Beispiel wenn man das Kniegelenk bei angespannten Oberschenkelmuskeln überstreckt oder verdreht. Häufig tritt die vordere Kreuzbandruptur bei Sportarten mit schnellen Richtungswechseln wie zum Beispiel Fußball oder anderen Ballsportarten sowie beim Skifahren auf, wenn sich das Bein bei angespannten Muskeln und Bändern verdreht.
Symptome & Beschwerden
Das Knie mit seinen Knorpelflächen und Bändern ist ein kompliziertes Gelenk und besonders bei bestimmten Sportarten sehr anfällig für Verletzungen. Nicht selten ist dabei eines der beiden Kreuzbänder betroffen, meistens das vordere.
Anzeichen für einen vorderen Kreuzbandriss können sein:
- Zerreissungsgefühl mit „Plop Geräusch“
- Ergussbildung im Kniegelenk sofort, auch verzögert möglich
- Kniekehlenschmerz
- Streck-und Beugehemmung – Beeinträchtigung der Beweglichkeit
- Verminderung der Belastungsfähigkeit
- Gangunsicherheit – Gefühl der Instabilität
Ursachen
Einer von 1000 Einwohnern im Alter zwischen 15 und 25 zieht sich pro Jahr ein Kreuzbandriss zu.
Wesentliche Risikofaktoren sind:
- einbeinige Landung nach einem Sprung ( z. B. Landung nach einem Kopfball oder Wurf)
- fixierter Fuß und Körpergewichtsverteilung über das verletzte Bein (z. B. Dribbling)
- plötzliches Abstoppen bei gleichzeitiger Drehbewegung, gleichzeitigem Richtungswechsel (z. B. beim Abwehrversuch)
- plötzliches Abstoppen und gleichzeitiger langer Ausfallschritt (z. B. erzwungener Richtungswechsel nach Fintieren des Gegenspielers)
- seitliche Nachstellschritte während des Abbremsens (z. B. im Rahmen eines Abwehrversuchs)
- die Überstreckung im Kniegelenk, z. B. Landung nach Sprung) (Valguslandung)
Diagnose
Die Diagnostik der VKB-Ruptur stellt bei frisch verletzten Patienten und Patientinnen eine Herausforderung für Untersucher und Untersucherinnen dar. Da insbesondere der funktionelle Status beurteilt werden muss, hat die klinische Untersuchung Priorität. Eine MRT-Untersuchung zeigt eine Kreuzbandverletzung zwar an, die Differenzierung zwischen Teil- und vollständiger Ruptur ist jedoch häufig schwer.
Biomechanik des intakten Vorderen Kreuzbandes
Die Hauptaufgabe des VKB ist sowohl die Stabilisierung gegen eine nach vorne gerichtete Kraft des Unterschenkels (anteriore tibiale Translations(ATT)-Kraft) als auch die Bewahrung der Dreh-(Rotationsstabilität) des Kniegelenkes. Diese beiden Stabilisationsaufgaben können mithilfe des Lachman-Test und des Pivot-Shift-Test untersucht werden.
Lachman Test
Pivot Shift Test
Die Graduierung des Pivot Shift Tests
Neben dem Lachman Test ist der Pivot-Shift-Test ein standardisiertes Verfahren, wenn der Verdacht auf ein gerissenes vorderes Kreuzband besteht. Der Test hat den Vorteil, dass er insbesondere auch zur Beurteilung der anterolateralen Kniegelenksstabilität, des anterolateralen Bandkomplexes, und damit zur weiteren differenzierten OP-Planung beitragen kann.
Wir führen den Test in 3 unterschiedlichen Beinstellungen durch:
- Grad 1: Pivot Shift positiv in Innendrehung des Unterschenkels
- Grad 2: Pivot Shift positiv in Innendrehung und Neutralstellung des Unterschenkels
- Grad 3: Pivot Shift positiv in Aussendrehung und Neutralstellung des Unterschenkels , in Innendrehung weniger
Grundprinzip des Tests ist die Innendrehung des Unterschenkels und damit des Schienbeinkopfes gegen den Oberschenkel. Normalerweise wickeln sich die Kreuzbänder dabei so umeinander, dass eine weitere Innendrehung und Verschiebung des Schienbeines nach vorne verhindert wird. Liegt hingegen eine Läsion des vorderen Kreuzbandes vor, so kommt es bei Innendrehung zur Verschiebung des Schienbeinkopfes nach vorne und zur Verlagerung des Drehpunktes des Kniegelenkes nach innen (siehe Rotationsachse).
Testdurchführung (Patient/-in liegt auf dem Rücken):
- der/die Untersucher/-in umgreift mit einer Hand den Rückfuss oder die Fußsohle des zu Untersuchenden
- mit der anderen Hand wird der Unterschenkel von unten umgriffen (der Daumen kommt auf dem Wadenbeinköpfchen zu liegen
- der/die Untersucher/-in hebt nun das gestreckte Bein der zu behandelnden Person bis zu einer Hüftbeugung von 20°
- mit der „Fersenhand“ wird nun der Unterschenkel nach innen gedreht und ein axialer Druck in Richtung Hüfte ausgeübt
- mit der Hand am Wadenbeinköpfchen wird ein “X Bein- Stress” auf das Kniegelenk ausgeübt
- der/die Untersucher/-in beugt das Bein nun langsam im Kniegelenk
Der Test ist positiv (positiver Pivot-Shift-Test), wenn bei einer Beugung von 20– 40 Grad ein ruckartiges Zurückspringen des zuvor nach vorne verschobenen Schienbeinkopfes erfolgt. Dieses „Schnappen“ im Knie ist für den Patienten oder die Patientin im chronischen Stadium weniger unangenehm.
Magnetresonanztomographie (MRT)
Bei einer Magnetresonanztomographie (MRT) werden Schnittbilder des Körpers erstellt. Diese Methode basiert auf dem Anlegen eines starken Magnetfeldes und Radiowellen. Für Patienten und Patientinnen besteht keine Strahlenbelastung. Bei einer MRT-Untersuchung können vor allem die Kreuzbänder sehr genau dargestellt werden. Deshalb eignet sich ein MRT sehr gut, um einen Kreuzbandriss zu erkennen. In manchen Fällen liegt aber ein Kreuzbandriss vor, obwohl er auf den MRT-Aufnahmen nicht erkennbar ist und umgekehrt. In diesen Fällen ist das MRT als falsch zu bewerten. Die Anzahl falscher MRT´s hängt von der Qualität der MRT-Bilder und des Diagnostikers (Radiologe / Orthopäde) ab.

MRT Bild einer Ruptur des Vorderen Kreuzbandes
Behandlung
Kreuzbandrupturen können sowohl konservativ als auch operativ behandelt werden. Die Indikation für eine Bandplastik hängt von verschiedenen Faktoren ab, z. B. wie stark die Schmerzen und der Leidensdruck des Betroffenen sind, die Beweglichkeit des Gelenks beeinträchtigt ist, Unsicherheit beim Gehen vorliegt und auch die sportliche Ambition ist für uns ein entscheidender Faktor.
Konservative Therapie
Grundsätzlich zielt die konservative Behandlung darauf ab, die Schmerzen zu beseitigen, die Beweglichkeit, Belastbarkeit und Stabilität des Kniegelenks wiederherzustellen.
Folgende Therapien sind möglich:
- Medikamentöse Behandlung: Die medikamentöse Behandlung hat zum Ziel, die Schmerzen zu lindern oder ganz verschwinden zu lassen.
- Physiotherapie: Krankengymnastik- Spezielle Übungen zur Kräftigung der Muskulatur, Mobilisierung und Übungen zur Verbesserung der Landetechniken.
- Physikalische Massnahmen: z. B. Elektrotherapie , Kältebehandlung
- Hilfsmittel: z. B. Gehhilfen, Kniebandagen, Orthesen
Operation
Kommt es im Rahmen der konservativen Behandlung zu keiner Besserung der Schmerzen und weiter bestehender Bewegungs- und Belastungseinschränkung mit Instabilitätszeichen (Giving- Way Zeichen), so ist die operative Stabilisierung empfohlen. Alle Operationsverfahren können in der Regel arthroskopisch, minimal invasiv, mittels Gelenkspiegelung (Arthroskopie) durchgeführt werden.
Arthroskopisch assistierten Kreuzbandplastik
Zu Beginn der arthroskopisch assistierten Kreuzbandplastik erfolgt zunächst eine Arthroskopie des Kniegelenkes (syn. Gelenkspiegelung), eine minimal-invasive diagnostische und/oder therapeutische Behandlung von Gelenken über kleine Inzisionen (Arthrotomien) unter Einsatz eines Endoskops . Dieses Verfahren gibt uns einen Aufschluss über weitere mögliche Schäden im Kniegelenk, wie Meniskusläsionen oder Knorpeldefekte und beschreibt die Art und Lokalisation der Rissbildung des Kreuzbandes. Wir unterscheiden zwischen mehreren operativen Verfahren (minimal invasiv) zur Behandlung der Kreuzbandruptur:
Erhalt des eigenen Kreuzbandes: „Internal Bracing“
Bei bestimmten oberschenkelnahen, frischen Rissbildungen des vorderen Kreuzbandes – Typ I und II der Sherman Klassifikation – setzen wir vermehrt das Verfahren des Internal Bracing ein. Dieses bietet Patienten und Patientinnen die Chance, das gerissene Kreuzband zu erhalten. Das Internal Bracing ist eine innere Schienung, die dem abgerissenen Kreuzband ihren ursprünglichen Weg vorgibt. Das am Oberschenkel abgerissene Kreuzband wird zunächst mit Nähten gefasst und wieder am Oberschenkel in einer speziellen Technik transossär fixiert. Wir nutzen dazu das Selbstheilungspotenzial nach einem akuten Kreuzbandriss und ermöglichen somit die strukturierte und zielgerichtete Verheilung zwischen den Kreuzbandstümpfen. Anschliessend erfolgt mit der Internal Brace-Technik eine stabile „innere Schienung“, sodass nicht nur das eigene Kreuzband mit allen wichtigen Nervenendigungen erhalten bleibt, sondern auch eine sehr frühe Belastbarkeit des Kniegelenkes ermöglicht wird bei deutlich verkürzter Rehabilitationszeit.
Augmentation der vorderen Kreuzbandteilruptur
Das vordere Kreuzband (VKB) besteht aus mehreren, parallel verlaufenden Fasern, die in anteromediale (AM: weiter vorne und zur Mitte) und posterolaterale (PL: hinten,seitlich) Fasern eingeteilt sind. Die AM-Fasern oder auch AM-Bündel stabilisieren hauptsächlich in Beugung das Kniegelenk vor allem gegen eine zu starke Verschiebung des Schienbeines nach vorne, die PL-Faserbündel oder auch PL-Bündel stabilisieren streckungsnahe und schützen die Stabilität bei Drehbewegungen des Kniegelenkes. Nach dem Grundsatz von Jack Hughston : “ Repair what is torn “ ersetzen wir bei Teilrupturen des Vorderen Kreuzbandes eines der gerissenen AM- oder PL- Bündel und lassen das intakte, funktionsfähige Bündel unberührt. Je nach Gewebsbeschaffenheit des vorhandenen Restgewebes des Bandes unterstützen wir die biologische Heilung mit einem Internal Bracing
Rekonstruktion der vorderen Kreuzbandruptur
Bei vollständiger Rissbildung des vorderen Kreuzbandes ist aktuell die Semitendinosus/Gracilis Sehne (STG) oder auch isoliert nur die Semitendinosussehne als Drei- und oder Vierfachschlinge als Bandersatz die Methode der Wahl.
Alles auf einen Blick:
- Operationszeit: 45-60 min.
- Narkose: Allgemein od. Spinal
- Klinikaufenthalt: amb. und stationär
- Arbeitsfähig: nach 2-10 Wochen
- return to sports (RTS): 6-10 Monate
Unsere Empfehlungen zur Vorderen Kreuzbandplastik:
- bei SportlernInnen, die High-Impact Sportarten, wie z. B. Fußball, Rugby, Handball,Volleyball, Basketball, Tennis, Tanzen, Skifahren und auch intensiv betriebenes Aerobic betreiben.
- bei subjektiv geklagter Instabilität mit sog. Giving-way Phänomen, auch nach konservativer Behandlung
- bei wiederholt auftretenden Ergussbildungen und Schwellungen, die zweifelsfrei die Instabiltät als primäre Ursache der Beschwerden ausweisen
- bei Begleitverletzungen wie Rissbildungen des Meniskus, Knorpelschäden etc.
- bei Begleitverletzungen der Peripherie wie Kapsel-Band Verletzungen (z. B. Anterolaterales Ligament, höhergradige Innen-Aussenbandverletzungen, etc.)
- bei anlagebedingten sog. intrinsichen (angeborenen) Faktoren wie z. B. Hypermobilität, Überstreckbarkeit des Kniegelenkes, ausgeprägter Bindegewebsschwäche etc.
- bei Wunsch von Patientinnen und Patienten nach Belastungsfähigkeit für kniebelastende Sportarten und berufliche Tätigkeit
Unser bevorzugtes OP-Verfahren
Neben Fortschritten bei der OP Technik sind folgende Punkte für den Op Erfolg mitentscheidend:
- Die Bohrkanalpositionierung sowohl des Oberschenkel-als auch des Unterschenkelknochens wurde optimiert. So wird heute, um eine anatomische Befestigung des VKB zu erreichen, der Bohrkanal des Unterschenkelknochens unabhängig von dem des Oberschenkels angelegt.
- Das Bohrloch des Unterschenkels liegt im Zentrum des Ansatzareals des Vorderen Kreuzbandes.
- Die Platzierung der Bohrkanäle orientiert sich an anatomischen Landmarken.
Unter Berücksichtigung dieser und anderer relevanter Grundsätze wie Transplantatwahl, Operationszeitpunkt, Fixationstechnik und Nachbehandlung können zum jetzigen Zeitpunkt sehr gute Ergebnisse (über 95 % Erfolgsquote) mit diesem von uns favorisierten Operationsverfahren erzielt werden.
Nachbehandlung
Im Zentrum der Nachbehandlung nach Kreuzbandplastik stehen verschiedene Behandlungsphasen, die unterschiedliche Schwerpunkte charakterisieren wie, z. B. akute Wundheilungsphase, die Zeit der Sehnen-Einheilung in die Knochenkanäle, Umwandlungszeit der Sehne in eine Bandstruktur und die Phase der Beseitigung der muskulären und neuromuskulären Defizite. Ziel dieser Behandlungen ist die aktive Kniestabilisierung, das Erreichen der vollen Beweglichkeit und achsengerechter Belastung, um dann durch Schaffen der konditionellen und koordinativen Grundlagen eine Vorbereitung zum sportartspezifischen Training anzuschließen. Erst nach Erlangen der vollen muskulären und neuromuskulären Kontrolle und Abschluss der Umbauprozesse des Sehnentransplantates ist ein risikoarmer Wiedereinstieg in belastende Sportarten sinnvoll.
Behandlungskalender Vordere Kreuzbandplastik
Ihr Behandlungsfahrplan nach Kreuzbandplastik. Ein individualisiertes Nachbehandlungskonzept für die arthroskopische Operation der Vorderen Kreuzbandplastik.
→ Behandlungskalender Vordere Kreuzbandplastik
Behandlungskalender Vordere Kreuzbandplastik mit Meniskusnaht
Ihr Behandlungsfahrplan nach Kreuzbandplastik mit Meniskusnaht. Ein individualisiertes Nachbehandlungskonzept für die arthroskopische Operation der Kreuzbandplastik mit Meniskusnaht.
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FAQs
Aufgrund zunehmender sportlicher Tätigkeit steigt die Zahl der Kreuzbandverletzungen in Deutschland konstant an. In unserer Sprechstunde stellen wir fest, dass viele Patienten und Patientinnen ähnliche Fragen beschäftigen. Daher haben wir die häufigsten Punkte, die im Rahmen eines ausführlichen Beratungsgespräches zur Sprache kommen, zu Ihrer Information zusammengestellt.